Der geheime Gang

Alter Gang in die Stadtmauer am Obergraben. Links ein Durchgang zum danebenliegenden Kellergewölbe

Geheimgänge unter Siegen

Wenn ich im Rahmen meiner „Unterwelten-Arbeit“ mit Siegenern ins Gespräch komme, höre ich oft von unterirdischen Verbindungsgängen. Zum Aufbau wie auch Start – und Endpunkt dieser Gänge gibt es immer wieder unterschiedliche Angaben. Mal ist die Rede von einer unterirdischen Verbindung zwischen dem Unteren und Oberen Schloss, dann heißt es, dass aus der alten Krypta der Nikolaikirche ein Gang unter der Straße wegführte. Auch wird erzählt, dass man früher unterirdisch vom Fuße des Kölner Tors hinauf zum Oberen Schloss gehen konnte. Nicht zu vergessen die Legende von einem Verbindungsgang vom Unteren Schloss zum fürstlichen Anwesen im Charlottental.

Die Legenden der Keller

Ich habe da – neben entsprechenden Fakten, auf die ich nachher noch eingehen werde – folgende Theorie: Die bereits aus dem ausgehenden Mittelalter stammenden Gewölbekeller waren für viele Anwohner der Altstadt ein Schutzraum, der im Krieg schnell aufgesucht werden konnte. Die Gewölbe sind erstaunlich stabil und liegen oft sehr tief im Fels. Dazu kommt noch die Tatsache, dass in vielen alten Kellern damals noch die alten Hausbrunnen existierten. Frischwasser war somit gesichert und auch die Lebensmittelvorräte waren nicht weit. Das einzige Problem war, dass die Kelleranlagen jeweils nur einen Zugang hatten. Wenn nun in der Nähe des Kellerzugangs eine Bombe detonieren würde, wäre der Kellerzugang verschüttet und die Schutzsuchenden im Keller eingeschlossen. Damit das nicht passiert, haben alle Bunkeranlagen mindestens zwei weit voneinander entfernt liegende Ein- und Ausgänge. Das gilt im Übrigen für alle öffentlichen Schutzbauten, egal ob Luftschutzstollen, Hochbunker oder Tiefbunker.

Gang unter dem Unteren Schloss / Kurländer Flügel.
Gang unter dem Unteren Schloss / Kurländer Flügel.

Um dies auch bei privaten Kellern zu gewährleisten, hat man Querverbindungen zum Nachbarkeller geschaffen. Solche Verbindungen sind auch heute noch sichtbar, wenn auch zugemauert. Überträgt man diese Maßnahme auf mehrere nebeneinanderliegende Kellergewölbe, kann man tatsächlich unterirdisch eine gewisse Strecke zurücklegen. Gerade in der Nachkriegszeit, als der Zugang zu vielen Kellern noch frei war, muss es wohl ein Spaß für die Kinder gewesen sein, darin zu spielen und vorhandene Verbindungen zu erforschen.

Also keine Tunnel?

Doch. Hier kommen Fakten:

Ein schmaler und niedriger Gang aus alter Zeit. Kein klassischer Stollen, wie man sie öfters im Siegerland antrifft. Nein, dieser Gang wurde aus alten Bruchsteinen und Felsgestein gemauert und wahrscheinlich später mit Ziegelsteinen ausgebessert. Der Gang beginnt an der Kölner Straße in einem Wohnhaus, verläuft unter dem Kurländer Flügel des Unteren Schlosses Richtung Südosten und endet unter dem Schlossplatz. Das Ende ist verschüttet. Mit einer Länge von circa 23 Metern verläuft er sogar unter der ehemaligen Zugbrücke!

Den eigentlichen Zweck des Ganges kann man nur vermuten. Er hat zwar eine leichte Steigung, aber für einen Abwasserkanal ist er mit einer Höhe von 1,5 Meter und einer Breite von 0,75 Meter zu groß. Vielleicht war es ein Fluchtweg. Ein-beziehungsweise Ausgang liegen an der damaligen alten Stadtmauer. An einer Stelle sieht man oben an der Decke eine dicke Schieferplatte. Vielleicht ein Loch nach oben ins Gebäude? Gab es hier mal eine Öffnung? Wozu diente der Gang?

Viele Fragen und viele wird man nicht beantworten können. Aber darum geht es auch nicht immer! Es ist oft viel schöner, wenn diese unterirdischen Anlagen noch einen Hauch Mystik behalten und wir unsere Phantasie nutzen und diese Hohlräume mit Leben füllen.

Keller am Neumarkt mit Bilck auf einen Abgang, der zugeschüttet ist.

Wie geht´s weiter?

Es gibt noch viel zu erforschen und zu entdecken.

In einem Keller am Neumarkt findet man ebenfalls einen alten Gang. (Bild links) Dieser ist mit Bauschutt zugeschüttet und könnte wieder freigegraben werden. In der Kölner Straße liegt ein Keller, der eine große Eisenplatte aufweist, die einen verschütteten Gang abdeckt. In einem Kellergewölbe des Oberen Schlosses sieht man zwei zugeschüttete Gänge.

Also gibt es sie doch – unterirdische Gänge, die nicht auf den Bergbau zurückzuführen sind. Wie groß das Netz einmal war, wo es herlief und welchen Zweck es hatte, kann man jedoch nur noch vermuten.

Die Siegener Unterwelten arbeiten weiter daran, Licht ins Dunkel zu bringen.

Teil der alten Badestube an der Barstewende (Urspr. Badestubenwende). Dieser Gang führt in einen Brunnenschacht.